RB aktuell
RB Reiserer Biesinger erstreitet Steuerrückzahlung in Höhe von über 30 Mio. EUR
Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Schweden (DBA), das die Erbschaft‑, Schenkung‑, Einkommen- und Vermögensteuer umfasst und weder gekündigt noch geändert worden ist, kommt es für die Schenkungsteuer auf die „Ansässigkeit der an der Schenkung beteiligten Personen“ an. Dabei ist es ohne Bedeutung, wenn zum Zeitpunkt der Schenkung die Schenkungsteuer in Schweden abgeschafft gewesen ist.
Mit dieser Begründung hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in den von RB Reiserer Biesinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vertretenen Fällen drei Geschwistern recht gegeben, die sich gegen die Schenkungsteuerbescheide in Höhe von über 30 Mio. EUR gewehrt haben, die aufgrund von geschenkten Aktienanteilen gegen sie ergangen waren. Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat die Schenkungsteuerbescheide aufgehoben.
Von ihrem Vater haben die Geschwister 2005 jeweils Anteile an einer schwedischen Aktiengesellschaft geschenkt erhalten. Der Vater als Schenker hatte im Zeitpunkt der Schenkung einen Wohnsitz in Deutschland und in Schweden, der Lebensmittelpunkt war in Schweden. Die Beschenkten waren nicht im Inland ansässig. Das beklagte Finanzamt setzte gegen alle drei Beschenkten Schenkungsteuer fest. Der Vater habe einen Wohnsitz im Inland und mit der Abschaffung der Schenkungsteuer in Schweden zu Beginn des Jahres 2005 stehe Deutschland das Besteuerungsrecht zu. Das sahen RB, der Vater und die Geschwister anders und haben Klage erhoben.
In seiner Urteilsbegründung folgte das Finanzgericht Baden-Württemberg der Argumentation von RB vollumfänglich und erklärte unmißverständlich, dass Schweden das Besteuerungsrecht zustehe, auch wenn im Zeitpunkt der Schenkung die Schenkungsteuer in Schweden abgeschafft gewesen sei. In Deutschland bestehe zwar eine unbeschränkte Steuerpflicht, da der Schenker im Inland einen Wohnsitz habe. Doch nach dem Doppelbesteuerungsabkommen Schweden (DBA), das die Erbschaft‑, Schenkung‑, Einkommen- und Vermögensteuer umfasse und nicht gekündigt oder geändert worden sei, sei die „Ansässigkeit der an der Schenkung beteiligten Personen“ entscheidend. Sei der Schenker in beiden Vertragsstaaten ansässig und verfüge in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, sei dessen Mittelpunkt der Lebensinteressen maßgebend. Der Schenker habe zum Zeitpunkt der Schenkung seinen Lebensmittelpunkt in Schweden gehabt.
Nach Auffassung des Finanzgerichts Baden-Württemberg ergebe sich eine besondere Zuweisung des Besteuerungsrechts für Deutschland aus dem DBA nicht, da es sich „bei den geschenkten Gesellschaftsanteilen weder um unbewegliches Vermögen“ noch „um bewegliches Betriebsvermögen eines in Deutschland belegenen Unternehmensteils“ handle. Auch nach der Abschaffung der Schenkungsteuer in Schweden seien nach Wortlaut und Systematik des Abkommens die Ansässigkeit bzw. der Lebensmitteilpunkt für die Verteilung des Steuersubstrats maßgebend. Es komme nicht darauf an, ob der andere Vertragsstaat Schenkungsteuer festsetze. Dies gelte auch dann, wenn dadurch die Schenkung ‑wie in den Streitfällen- unversteuert bleibt. Jedem Vertragsstaat stehe es frei, ob und wie er von seinem Besteuerungsrecht Gebrauch macht. Eine sog. Rückfallklausel gebe es nicht.
Aus diesen Gründen wurden die Schenkungsteuerbescheide in Gesamthöhe von mehr als 30 Mio. EUR jeweils aufgehoben.
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteile vom 5. August 2020 – 7 K 2777/18, 7 K 2778/18 und 7 K 2779/18
Die vom beklagten Finanzamt eingelegten Revisionen sind beim Bundesfinanzhof unter den Az. II R 28/20, II R 29/20 und II R 27/20 anhängig.
Der vorliegende Fall ist auch deshalb von besonderer Brisanz und gibt Anlass zur Sorge, weil vermeintlichen Steueransprüchen nicht wie rechtmäßig im finanz- und ggf. finanzgerichtlichen Verfahren, sondern mit den Mitteln steuerstrafrechtlicher Ermittlungsverfahren (Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen) und Strafandrohungen zur Durchsetzung verholfen werden sollte, obwohl es an jedwedem Tatverdacht von Anfang an gefehlt hat (Zitat des Steuerfahnders: „Ihr Mandant soll den für ihn kleinen Betrag von 30 Mio. EUR doch einfach zahlen, dann sorgen wir dafür, dass er von der Steuerfahndung nicht weiter behelligt und das Steuerstrafverfahren wegen Geringfügigkeit (!!) eingestellt wird“). Unser Mandant hat dieses „vergiftete Angebot“ selbstverständlich nicht angenommen und nicht nur das Finanzgerichtsverfahren gewonnen, auch das Ermittlungsverfahren wurde ohne jegliche Auflage o.ä. eingestellt, weil es schlicht nicht den geringsten Tatverdacht gab, die Steuerfahndung vielmehr einen steuerehrlichen Bürger zu Unrecht verfolgte.
