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Corona: Kündigung von Mietverhältnissen

Die mittlerweile revidierte Ankündigung von Adidas, Deichmann und H&M, die Mietzahlungen für ihre geschlossenen Läden ab April vollständig einzustellen, hat für Aufregung gesorgt. Unabhängig davon stellt sich für viele Unternehmen die Frage, wie sie mit den laufenden miet- oder pachtrechtlichen Verpflichtungen umgehen, wenn die betroffenen Gewerbeflächen nicht oder nur sehr stark eingeschränkt für ihren Gewerbebetrieb genutzt werden können. Können Unternehmen ihre Mietzahlungen ab April tatsächlich einfach einstellen und, wenn ja, mit welchen Konsequenzen? Und welche Maßnahmen sollten Vermieter treffen, um einerseits ihre Mieter zu unterstützen, gleichwohl andererseits aber auch ihre eigenen Interessen wahrzunehmen? Und welche neuen Regelungen hat der Gesetzgeber hierzu getroffen? Wir fassen zusammen:
- Gesetzliche Ausgangslage
Grundsätzlich können Mietverhältnisse vom Vermieter aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn (i) der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete oder (ii) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete oder in Höhe eines Betrages, der die Miete für zwei Monate erreicht (§ 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB), in Verzug ist. Zwar setzt der Verzug grundsätzlich auch immer ein Verschulden voraus. Es ist aber allgemein anerkannt, dass dem Verzug mit einer Geldforderung auch nicht entgegensteht, wenn der Schuldner sich die erforderlichen Geldmittel – auch ohne sein Verschulden - – nicht rechtzeitig beschaffen konnte (die Rechtsprechung sagt dazu: „Geld hat man zu haben.“). Warum der Mieter also mit der Miete in Rückstand gerät, ist für den Verzugsbeginn und damit auch die Kündigungsmöglichkeit des Vermieters grundsätzlich insoweit unbeachtlich.
- Pandemiebedingte Besonderheiten und COVID-Abmilderungsgesetz
Es ist zu erwarten, dass viele Unternehmen nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, um während der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihre laufenden Mietzahlungsverpflichtungen unverändert erfüllen zu können. Ebenfalls steht zu erwarten, dass viele Unternehmen während der pandemiebedingten Sondersituation die verfügbare Liquidität vorrangig für die Bezahlung ihrer Mitarbeiter sowie für andere Gläubiger verwenden wollen oder müssen.
Dieses Problem ist der Gesetzgeber in dem Gesetz zur Abmilderung der Auswirkungen Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27. März 2020 (BT-Drs. 19/18110BGBl. I 2020, Seite 569 ff.) angegangen und hat das Recht der Vermieter zur Kündigung von Mietverhältnissen über Grundstücke oder über Räume eingeschränkt:
- Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Nichtleistung der Miete auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. „Miete“ bedeutet hier die Kaltmiete zuzüglich der laufenden Betriebs- und Nebenkosten. Diese Regelung gilt für Pachtverhältnisse
- Diese Kündigungsbeschränkung endet mit Ablauf des 30. Juni 2022. Etwaige Mietrückstände müssen daher bis spätestens zum 30. Juni 2022 ausgeglichen sein, andernfalls kann dem Vermieter nach diesem Tag wieder das Kündigungsrecht zustehen.
- Der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung ist durch den Mieter glaubhaft zu machen.
- Vorläufige Bewertung der neuen Rechtslage
a) Keine Aussetzung der Pflicht zur Mietzahlung
Der Gesetzgeber hat nur das Kündigungsrecht eingeschränkt, jedoch die Pflicht zur Mietzahlung weder ausgesetzt noch gestundet. Die Verpflichtung der Mieter zur fristgerechten Zahlung der Miete (mit Nebenkosten) bleibt – vorbehaltlich anderer Rechtsinstitute (z. B. Unmöglichkeit, Mangelgewährleistungsrecht, Störung der Geschäftsgrundlage) – unverändert bestehen. Mieter und Pächter müssen ihre Verbindlichkeiten deshalb grundsätzlich weiterhin fristgerecht erfüllen und können bei nicht fristgerechter Leistung in Verzug geraten. Eine gesonderte Mahnung des Vermieters ist für den Verzugsbeginn nach der typischen Vertragsgestaltung nicht erforderlich. Die Verzugszinsen betragen bei gewerblichen Mietern derzeit 9,9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz (seit dem 1. Januar 2020 ist dies ein Zinssatz von 8,12 % p. a.).
b) „Verwendung“ der Kaution zur Verrechnung ausgesetzter Mieten
Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, nicht bezahlte Mieten mit einer geleisteten Kaution zu verrechnen, nicht beschränkt. Im Gewerberaummietrecht kann der Vermieter deshalb nach einer Ankündigung weiterhin wegen Forderungen aus dem laufenden Mietverhältnis auf die Kaution zugreifen kann, wenn sich der Mieter im Verzug befindet und die Forderung nicht bestreitet. Somit können Gewerbevermieter -– anders als der Wohnraumvermieter - – im Falle eines Mietausfalls wegen der Corona-Krise grundsätzlich auf die Kaution zugreifen, zumindest solange der Mieter nicht widerspricht.
c) Kündigung aus anderen Gründen weiterhin möglich
Der Gesetzgeber hat die Kündigungsmöglichkeit im Übrigen nicht beschränkt. Kündigungen aus anderen Gründen bleiben weiterhin möglich. Der Vermieter kann das Mietverhältnis insbesondere wegen einer sonstigen Vertragsverletzung des Mieters unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen kündigen. Ebenso kann der Vermieter unbefristete Geschäftsraummietverträge unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen kündigen.
d) COVID-19-Pandemie wohl kein Mietmangel
Der Gesetzgeber hat nicht dazu Stellung genommen, ob die Maßnahmen bzw. Beschränkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie einen Mietmangel darstellen und den Mieter gegebenenfalls zur Mietminderung berechtigen. Diese Frage ist aktuell sehr streitig.
Nach dem derzeitigen Stand ist davon auszugehen, dass Mieter aufgrund der allgemeinen Regelungen des Mietrechts nicht berechtigt sind, wegen der
Unmöglichkeit der Nutzung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch infolge der COVID-19-Pandemie die Miete zu mindern. Betriebsschließungen oder -beschränkungen, die an den Betrieb des Mieters und nicht an die Mietsache selbst anknüpfen, stellten nach der bisherigen Rechtsprechung regelmäßig keinen Mangel der Mietsache dar. Zudem beinhalten viele Gewerberaummietverträge die ausdrückliche Regelung, dass der Mieter dafür verantwortlich ist, dass der von ihm beabsichtigte Geschäftszweck in den gemieteten Räumlichkeiten möglich ist und bleibt. Eine Mietminderung infolge von „Umfeldmängeln“ kommt grundsätzlich nur in Betracht, wenn der Mangel für den Vermieter vorhersehbar war. Bei der COVID-19-Pandemie handelt es sich allerdings um ein (auch für den Vermieter) nicht vorhersehbares Risiko, so dass eine Mietminderung aus diesem Grund unseres Erachtens ausgeschlossen ist.
Mieter könnten allerdings argumentieren – so bspw. Adidas –, dass Nutzung gemäß dem Mietzweck derzeit objektiv nicht möglich ist und damit die geschuldete Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs auch seitens des Vermieters nicht erfüllt werden kann. Mieter könnten daher versuchen, über das Institut der Störung der Geschäftsgrundlage eine (vorübergehende) Anpassung der Miete zu verlangen. Diese Frage wird allerdings nicht kurzfristig höchstrichterlich entschieden werden. Vielmehr werden sich die Gerichte vermutlich auch im Mietrecht noch in größerem Umfang mit den Problematiken wegen der COVID-19-Pandemie beschäftigen müssen. Wenn der Mieter unter Berufung auf die COVID-19-Pandemie deshalb eigenmächtig Teile der Miete nicht bezahlt, entsteht für ihn das Risiko, dass er sie später nach einer rechtskräftigen Verurteilung mitsamt von Zinsen und Kosten zurückbezahlen muss.
- Fazit
Das Gesetz ist grundsätzlich zu begrüßen, da es der Sicherung der Geschäftsräume und damit -betriebe oberste Priorität einräumt und damit die (rechtliche) Stellung der mietenden Unternehmen stärkt. Ob die gesetzlichen Regelungen aber genügen, wird sich erst in den nächsten Wochen und Monaten zeigen. Es ist zu befürchten, dass die bloße Aussetzung der Kündigungsmöglichkeit bei Nichtzahlung der Miete bis zum 30. Juni 2020 nicht ausreicht, um die Folgen der jetzigen Einschränkungen des Geschäftslebens zu kompensieren. Eine Verlängerung der staatlichen Maßnahmen ist bereits in dem Abmilderungsgesetz vorgesehen, wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben und die Erwerbstätigkeit einer Vielzahl von Menschen durch die COVID-19-Pandemie weiterhin in erheblichem Maße beeinträchtigt bleibt. Um weitere Fragen und Auseinandersetzungen in der Zukunft zu vermeiden, sollten Mieter und Vermieter möglicherweise jetzt selbst aktiv werden:
Mietern ist zu raten, ihre aktuelle wirtschaftliche Situation und deren Ursachen zu dokumentieren, um die Voraussetzungen für den vorübergehenden Kündigungsausschluss glaubhaft machen zu können. Kann ein Mieter belegen, dass sein Geschäft im engen zeitlichen Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie eingebrochen und durch die laufenden Kosten seine Liquidität aufgebraucht ist, so wird dies der Vermieter kaum widerlegen können. Anders wird dies aber bei Mietern sein, die ihr Geschäft trotz COVID-19-Pandemie fortführen können, so etwa im Lebensmitteleinzelhandel, oder die über hohe Liquiditätsreserven verfügen. Beruht die Nichtleistung des Mieters dagegen auf anderen Gründen, zum Beispiel, weil er zahlungsunwillig ist oder seine Zahlungsunfähigkeit andere Ursachen als die COVID-19-Pandemie hat, ist die Kündigung hingegen nicht ausgeschlossen.
Vermieter sollten überlegen, ob nicht eine einvernehmliche Regelung über aktuellen Zahlungen und/oder jedenfalls die Rückführung der einstweilen nicht geleisteten, aber gleichwohl fälligen Mietzahlungen in Betracht kommt, um die entsprechende Diskussion nicht erst nach dem 30. Juni 2022 vor dem Hintergrund einer dann (erst) möglichen Kündigung zu führen. Denkbare Maßnahmen, die zwischen den Parteien getroffen werden können, sind Ratenzahlungsvereinbarungen, Stundungsvereinbarungen, temporäre Mietreduzierungen, einmalige Vermieterzuschüsse oder aber die Vereinbarung der Abtretung von (aktuellen oder künftigen) Ansprüchen.
Gerne unterstützen wir Sie bei allen diesbezüglichen Fragen, bei Vertragsverhandlungen und/oder der Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen.