RB-AKTUELL
RB aktuell – Das Arbeitsrechtsteam von RB informiert:
Corona: Das neue Sozialschutz-Paket

In diesem Infobrief möchten wir Sie auf das sog. „Sozialschutz-Paket“ (Gesetz für leichteren Zugang zu sozialer Sicherung und zum Einsatz und zur Absicherung sozialer Dienste) hinweisen und insbesondere auf eine damit einhergehende Neuregelegung im Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufmerksam machen.
- Maßnahmen mit arbeitsrechtlichem Bezug
Das Gesetz soll helfen, soziale und wirtschaftliche Folgen der Corona-Pandemie für Bürger/-innen abzufedern. Hierzu wurden folgende Maßnahmen in für das Arbeitsrecht relevanten Bereichen getroffen:
Im neuen § 421c SGB III ist geregelt, dass ein Zuverdienst bei Kurzarbeit für systemrelevante Arbeit – d.h. Entgelt aus einer anderen, während des Bezugs von Kurzarbeitergeld aufgenommenen Beschäftigung in systemrelevanten Branchen und Berufen – sich auf das Kurzarbeitergeld nicht auswirkt, dieses also nicht gekürzt wird.
Weiterhin wurde die Höchstdauer für geringfügig Beschäftigte ausgeweitet, um Problemen bei der Saisonarbeit Rechnung zu tragen. Die Zeitgrenzen für die geringfügige Beschäftigung in Form der kurzfristigen Beschäftigung belaufen sich nun auf eine Höchstdauer von fünf Monaten oder 115 Tagen.
Zudem wurde geregelt, dass die Weiterbeschäftigung nach Renteneintritt erleichtert wird, indem die bisherigen Beschränkungen gelockert werden. So können im Jahr 2020 statt bisher EUR 6.300 EUR 44.590 hinzuverdient werden, ohne dass eine Kürzung der Altersrente erfolgt.
- Aufnahme einer Verordnungsermächtigung ins Arbeitszeitgesetz für bundeseinheitliche Ausnahmen
In das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wurde eine Verordnungsermächtigung aufgenommen, um bundeseinheitliche Ausnahmen von den Arbeitszeitvorschriften zu ermöglichen. So können ab dem 10. April 2020 für bestimmte Tätigkeiten Ausnahmen von den Vorschriften des ArbZG zugelassen werden. Diese müssen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sein. Konkret werden folgende Ausnahmen zugelassen:
- Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit auf bis zu zwölf Stunden, soweit dies nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann. Wie im ArbZG üblich, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.
- Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen.
- Eine Beschäftigung an Sonn- und Feiertagen ist möglich, wenn die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann innerhalb von acht Wochen gewährt werden, spätestens jedoch bis zum 31. Juli 2020.
- Nur in dringenden Ausnahmefällen darf die Wochenarbeitszeit auf über 60 Stunden verlängert werden, soweit dies nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen vermieden werden kann.
Die Ausnahmemöglichkeiten gelten nur für die in § 1 Abs. 2 der Verordnung festgelegten Tätigkeiten. Von den beschriebenen Ausnahmen kann bis zum 30.06.2020 Gebrauch gemacht werden. Die Verordnung tritt zum jetzigen Stand zum 31.07.2020 außer Kraft.
- Entschädigung Erwerbstätiger bei Betreuung von Kindern
In § 56 Abs. 1 a IfSG hat ein neuer Entschädigungsanspruch seinen gesetzlichen Niederschlag gefunden. In diesem heißt es u. a.:
(…) Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen (…) zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen (…) geschlossen (…) und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, in diesem Zeitraum die Kinder selbst betreuen, weil sie keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können, und erleiden sie dadurch einen Verdienstausfall, erhalten sie eine Entschädigung in Geld. Anspruchsberechtigte haben gegenüber der zuständigen Behörde, auf Verlangen des Arbeitgebers auch diesem gegenüber, darzulegen, dass sie in diesem Zeitraum keine zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherstellen können. (…)
D.h. die Voraussetzungen zur Gewährung der Entschädigung sind:
- Schule / Kita ist aufgrund behördlicher Anordnung zur Verhinderung der Verbreitung einer Infektionskrankheit geschlossen und
- das Kind ist unter 12 Jahre alt oder behindert und auf Hilfe angewiesen und
- das Kind muss in der Zeit der Schließung von dem Mitarbeiter betreut werden und
- es gibt keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit
Kein Anspruch besteht, wenn Mitarbeiter bereits Kurzarbeitergeld erhalten oder es im Betrieb andere Möglichkeiten gibt, der Arbeit vorübergehend bezahlt fern zu bleiben, wie beispielsweise durch Abbau von Überstunden, Urlaub aus dem Vorjahr etc. Ein Anspruch besteht auch dann nicht, wenn die Schließung ohnehin während durch das Landesrecht festgelegten Schulferien erfolgen würde (Osterferien, Pfingstferien).
Die Auszahlung der Entschädigung wird zunächst vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer geleistet. Dieser stellt sodann bei der von den Ländern bestimmten zuständigen Behörde einen Antrag auf Erstattung. Zuständige Behörde ist (noch) das Gesundheitsamt, da die Regelung in das Infektionsschutzgesetz implementiert wurde. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Zuständigkeitsverlagerung, beispielsweise auf die Agenturen für Arbeit erfolgt. Bereits beim Gesundheitsamt gestellte Anträge werden dann intern an die (neue) zuständige Behörde weitergeleitet, ohne dass es eines neuen Antrags bedarf.
Da der Arbeitgeber in Vorleistung geht, ist für ihn insbesondere von Interesse, was passiert, wenn der Lohnersatz später aufgrund fehlender Voraussetzungen und/oder falscher Angaben des Arbeitnehmers von der Behörde nicht erstattet wird. Überdies sind die Voraussetzungen für die Zahlung der Entschädigungen deutlich anspruchsvoller als z. B. bei der Kurzarbeit, da es um private Lebensumstände des Arbeitnehmers geht, die der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer aktiv erfragen muss. Hierbei treffen den Arbeitnehmer Mitwirkungspflichten. So muss er unter anderem die Richtigkeit der Angaben durch seine Unterschrift versichern.
Sollte festgestellt werden, dass die Voraussetzungen für die Entschädigungsgewährung nicht vorlagen, sind Rückerstattungen jedoch vermutlich im Innenverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu regeln. Wir stehen diesbezüglich in regem Austausch mit den Behörden, um ein rechtssicheres Vorgehen des Arbeitgebers zu erörtern. Da die Regelung neu ist und eine bewährte Handhabung in der Praxis daher nicht existiert, ist hier jedoch noch vieles unklar und wenig präzise.
Dem Kurzarbeitergeld (bzw. Arbeitslosengeld) entsprechend wird die Entschädigung (zurzeit) in Höhe von 67 % des monatlichen Nettoeinkommens (maximal EUR 2016,00/Monat) für bis zu 6 Wochen gezahlt. Ob und wie sich die am 22.04.2020 von der großen Koalition beschlossene Erhöhung des Kurzarbeitergeldes hierauf auswirkt, bleibt abzuwarten. Da diese jedoch gestaffelt ist und eine Erhöhung erst ab dem 4. Monat der Kurzarbeit vorsieht, während die Entschädigung auf einen Zeitraum von 6 Wochen beschränkt ist, gehen wir davon aus, dass es bei den 67 % verbleiben wird.
Zusammenfassend empfehlen wir Arbeitgebern, sich vor Stellung der Anträge die erforderlichen Angaben in einem Fragebogen vom Arbeitnehmer geben und somit die Richtigkeit bestätigen zu lassen. Zugleich kann hier bereits auch eine Rückzahlungsvereinbarung oder eine Vereinbarung über die Verrechnung mit zukünftigen Lohnansprüchen, für den Fall, dass eine Zahlung durch die Behörde wegen fehlender oder falscher Angaben nicht geleistet wird, getroffen werden.
Gerne stehen wir Ihnen sowohl bei der Durchführung der Antragsverfahren selbst sowie der Erstellung der vorbereitenden Dokumente unterstützend zur Seite.