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Corona: Das Arbeit-von-morgen-Gesetz zur Beschlussfassung von Betriebsräten

Bereits in unserem sechsten Infobrief zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit COVID-19 haben wir Sie über die Funktionsfähigkeit der Betriebsräte in Zeiten von Corona informiert.
Was bereits im April unserer Rechtsauffassung entsprach, ist nunmehr von Bundesrat und Bundestag im Rahmen des sog. Arbeit-von-morgen-Gesetzes beschlossen worden: Betriebsratssitzungen und Beschlüsse sind aufgrund der aktuellen Gegebenheiten vorübergehend per Video- und sogar per Telefonkonferenz möglich.
In unserem letzten diesbezüglichen Beitrag sind wir darauf eingegangen, dass infolge der verbreiteten Arbeit im Home-Office und etwaigen Betriebsschließungen die Arbeitsfähigkeit des Betriebsrates stark eingeschränkt war. Um dem entgegenzuwirken wurde nun neben Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung nach der Corona-Krise im Rahmen des „Arbeit-von-morgen-Gesetzes“ eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) entschieden. Der neu eingeführte § 129 BetrVG ermöglicht die Arbeit des Betriebsrates mittels Telefon- oder Videokonferenz, um die Gesundheit der Betriebsratsmitglieder zu schützen und um die Funktionalität der betrieblichen Mitbestimmung zu stärken. Das Abweichen von dem sonst üblichen Präsenzbetrieb muss jedoch durch die Corona-Pandemie begründet sein. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei dem Grundsatz der persönlichen Zusammenarbeit.
An die Zulässigkeit der virtuellen Betriebsratssitzungen knüpft das Gesetz drei Voraussetzungen:
- Es ist sicherzustellen, dass Dritte von dem Inhalt der Sitzung keine Kenntnis erlangen können.
- Die Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.
- Die Teilnehmer der Sitzung müssen ihre Teilnahme gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätigen.
Um den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit auch bei virtuellen Betriebsratssitzungen zu wahren, müssen die einzelnen Betriebsratsmitglieder u.a. sicherstellen, dass während der Konferenz keine unbefugten Personen mithören können und es ist auf eine Verschlüsselung der Verbindung zu achten. Sie sollten sich daher während der Sitzung in einem geschlossenen Raum aufhalten. Als Ersatz für die sonst handschriftlich unterzeichnete Anwesenheitsliste kann die Bestätigung der Sitzungsteilnahme beispielsweise per E-Mail oder SMS an den Vorsitzenden erfolgen.
- 129 BetrVG enthält keineswegs eine Verpflichtung zur virtuellen Abhaltung der Sitzungen, sondern eröffnet nur die Möglichkeit. Zudem ist denkbar, dass sich ein Teil der Betriebsratsmitglieder persönlich trifft, sofern das Sitzungszimmer ausreichend Platz bietet, und der Rest sich digital zuschaltet.
Die neue Regelung des § 129 BetrVG kommt nicht nur dem Betriebsrat zugute, sondern auch anderen betrieblichen Mitbestimmungsgremien wie dem Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie den Jugend- und Auszubildendenvertretungen. Auch der Wirtschaftsausschuss und eine Einigungsstelle können von der digitalen Arbeitsweise Gebrauch machen. Des Weiteren ist auch das Abhalten von Betriebsversammlungen per Videokonferenz gestattet, sofern sichergestellt ist, dass ausschließlich teilnahmeberechtigte Personen Zugriff auf die Übertragung haben.
Die Neuregelung tritt rückwirkend zum 01. März 2020 in Kraft, sodass bereits ab dem 01. März 2020 die Wirksamkeit gefasster Beschlüsse jedenfalls nicht an der fehlenden persönlichen Anwesenheit der Betriebsratsmitglieder scheitern. Derzeit ist die Regelung bis zum 31. Dezember 2020 befristet.
Von der Arbeitserleichterung sollen nicht nur die betriebsverfassungsrechtlichen Gremien profitieren, auch Personalräten wird ermöglicht, Beschlüsse im Wege von Video- und Telefonkonferenzen zu fassen. Die diesbezügliche Regelung soll sogar bis zum 31. März 2021 Wirkung entfalten. Zudem ist es zulässig, die Personalratswahlen durch Änderung der Wahlordnung per Briefwahl anzuordnen.
Die Umsetzung und Funktionalität dieser neuen „digitalen“ Mitbestimmung in der Praxis wird abzuwarten sein. Arbeitgebern möchten wir raten, Anfragen von Betriebsräten nach technischen Lösungen zwar zu unterstützen. Gleichwohl wird nicht jedes Betriebsratsmitglied Anspruch darauf haben, mit einem mobilen Endgerät neu ausgestattet zu werden.
Auch werden Arbeitgeber in Mitbestimmungsfällen nicht eigenständig zu hinterfragen haben, ob die Vorgaben einer wirksamen Online-Beschlussfassung eingehalten wurden. Trotzdem ist nicht auszuschließen, dass z.B. Arbeitnehmervertreter im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens kritisieren, dass eine Online-Beschlussfassung des Betriebsrates im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG nicht wirksam erfolgt ist. Sollten sich hieran allerdings für den Arbeitgeber keine offensichtlichen Mängel aufdrängen, wird dies nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen dürfen.